Nach dem starken Zuwachs von rund 14,8 Milliarden Euro im Jahr 2021 sind auch im ersten Quartal 2022 die Kreditvolumina von heimischen Banken an Unternehmen um weitere 3,7 Milliarden Euro auf insgesamt 186,5 Milliarden Euro gewachsen.
Die letzten veröffentlichen Daten zu den Finanzierungskonditionen durch die österreichische Nationalbank vom April 2022 zeigen ein weiterhin historisch tiefes Niveau analog den letzten beiden Jahren. Neue Kredite mit Volumina unter einer Million Euro wurden durchschnittlich zu einer Verzinsung von 1,73 Prozent vergeben, bei einem Finanzierungsbetrag von über einer Million Euro waren es 1,43 Prozent. Die der aktuell exorbitant hohen Inflationsrate geschuldete Trendwende in der Zinspolitik der europäischen Zentralbank hat Unternehmenskredite allerdings in den letzten Wochen bereits empfindlich verteuert. Das Ende der Fahnenstange dürfte damit allerdings noch lange nicht erreicht worden sein.
Inflationsrate wird mittelfristig hoch bleiben
Während die meisten Experten auch noch einige Wochen nach Beginn des Kriegs in der Ukraine von einer signifikanten Abschwächung der Inflationsproblematik im zweiten Halbjahr 2022 ausgegangen sind, wurden diese Einschätzungen nun weitestgehend revidiert. Die österreichische Nationalbank beispielweise rechnet in der jüngsten Studie vom 10. Juni für 2022 nun mit einer Inflationsrate von 7,0 Prozent (zuvor: 5,6 Prozent). Auch für 2023 und 2024 liegen die Prognosen mit 4,2 bzw. 3,0 Prozent deutlich über dem Zielwert der europäischen Zentralbank von 2,0 Prozent. Für heuer werden nun mehrheitlich zumindest drei Zinserhöhungen in der Eurozone erwartet. Das wird zumindest einen positiven Nebeneffekt für Unternehmen mit hohen Cashreserven bringen. Die Zeiten für „Verwahrentgelte“ (negative Zinsen für höhere Einlagen auf Girokonten, derzeit meist um die 0,5 Prozent) sollten schon bald der Vergangenheit angehören.
Variabel verzinste Kredite steigen unterschiedlich schnell
Der überwiegende Teil der heimischen Unternehmenskredite inklusive Kontorahmen ist variabel verzinst und wird daher entsprechend dem Marktzinsniveau laufend angepasst. Je nach den individuellen Vereinbarungen im Kreditvertrag müssen Unternehmer nun kurzfristig bei den meist vierteljährlichen Zinsanpassungen mit mehr oder weniger großen Kreditkostensteigerungen rechnen. Basis hierfür ist in der Regel der EURIBOR, eine Art „Großhandelspreis“ für Kapital unter den Banken. Am häufigsten findet man den 3-Monats-EURIBOR in Kreditverträgen, aber auch der jeweilige EURIBOR für 1, 6 oder 12 Monate kann Ausgangsbasis für Zinsanpassungen sein.
Bis zu Jahresbeginn notierten all diese EURIBOR-Werte weitestgehend zwischen minus 0,50 bis 0,60 Prozent. Gegen Ende Juni dagegen war eine historisch große Spreizung von minus 0,50 Prozent beim 1-Monats-EURIBOR bis zu plus 1,07 Prozent beim 12-Monats-Euribor zu verzeichnen. Zu diesen EURIBOR-Werten addiert die Bank noch eine Kreditmarge bzw. einen Aufschlag, welcher den Zinssatz für die Unternehmensfinanzierung ergibt. Somit müssen Kreditnehmer mit Vereinbarungen auf den 12-Monats-Euribor zum nächsten Anpassungsstichtag mit einer spürbaren Erhöhung der Kreditzinsen rechnen, während 3-Monats-Euribor (derzeit noch minus 0,17 Prozent) Verträge noch eine kurze Schonfrist haben.
Fixzinssätze bereits massiv teurer
Grundsätzlich macht es weiterhin Sinn speziell bei langfristigen Finanzierungen über den Wechsel auf eine Fixzinsvereinbarung nachzudenken. In Erwartung einer höheren Inflation und damit einer neuen geldpolitischen Ausrichtung der Notenbanken haben sich die Kosten für Fixzinskredite allerdings beispielsweise für einen Zeitraum auf 10 Jahre in den letzten Monaten bereits um rund 2 Prozent verteuert. Vertraut man auf die Einschätzung von Experten, wird man bei einer variablen Zinsvereinbarung zumindest bis Ende des nächsten Jahres noch unter den derzeit angeboten längerfristigen Fixzinssätzen liegen. Die aktuellen Prognosen für den 3-Monats-EURIBOR für den Sommer 2023 liegen schwerpunktmäßig zwischen 0,80 und 1,50 Prozent. In der längerfristigen Betrachtung sind die derzeit am Markt erhältlichen Fixzinsangebote aber immer noch überdurchschnittlich attraktiv.
Tipp – Vergleichen und verhandeln lohnt sich jetzt besonders
Für heimische Banken war es im jüngsten Umfeld von stetig steigenden Kundeneinlagen bei gleichzeitig negativen Zinsen für Staatsanleihen verhältnismäßig attraktiv Unternehmensfinanzierungen zu vergeben. Die Neuausrichtung in der Geldpolitik der europäischen Zentralbank wird den österreichischen Markt für Firmenkredite nun allerdings gehörig durchmischen. Es wird künftig nicht nur darauf angekommen das richtige Kreditinstitut mit den besten Konditionen zu finden, sondern auch auf die optimalen Vertragsdetails zu achten.
(Datenquelle: ÖNB, Diverse Banken)
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